Einleitung
Die deutsch-türkische Schauspielerin Nursel Köse zählt zu den interessantesten Künstlerpersönlichkeiten im deutschsprachigen Raum. Mit einer Karriere, die sich zwischen Schauspiel, Lyrik und gesellschaftlichem Engagement bewegt, hat sie sich nicht nur auf der Theaterbühne und in Filmen einen Namen gemacht, sondern auch in Literaturkreisen Anerkennung erlangt. Vielen ist sie durch ihre Rolle als Keriman in der Erfolgsserie „Paramparça“ bekannt, doch ihre künstlerische Laufbahn reicht weit darüber hinaus. In diesem Artikel nehmen wir Nursel Köse und ihr vielschichtiges Werk genauer unter die Lupe – von ihren Anfängen in Deutschland über ihre größten Erfolge bis hin zu ihren literarischen Veröffentlichungen.
Thank you for reading this post, don't forget to subscribe!Herkunft und Bildung: Die Wurzeln von Nursel Köse
Nursel Köse wurde am 29. März 1961 in Malatya, Türkei, geboren. Bereits in jungen Jahren zog sie nach Deutschland, wo sie sich in einer neuen Kultur zurechtfinden musste. Diese biografische Zerrissenheit – zwischen Orient und Okzident – zieht sich wie ein roter Faden durch ihre künstlerische Arbeit.
In Deutschland studierte Köse Architektur an der Technischen Universität Kaiserslautern. Doch das Studium sollte nur ein Teil ihres kreativen Weges sein. Schon bald entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Theater und die Literatur. Ihre ersten Gedichte schrieb sie auf Türkisch – voller Wut, Sehnsucht und Identitätssuche. Schon in den 1980er-Jahren trat sie als performative Poetin auf kleinen Bühnen auf, oftmals unter feministischen oder politischen Vorzeichen.
Der Weg auf die Bühne: Theater, Poesie und das erste Rampenlicht
Obwohl Nursel Köse keine klassische Schauspielausbildung absolvierte, fand sie schnell Zugang zur Theaterwelt. Ihre Ausdrucksstärke, ihr selbstbewusstes Auftreten und ihre zweisprachige Identität machten sie zu einer gefragten Darstellerin – besonders in Rollen, die gesellschaftliche oder kulturelle Brücken thematisierten.
In zahlreichen Off-Theatern und freien Ensembles wurde sie für ihre Präsenz gefeiert. Parallel dazu trat sie mit ihren Gedichten und Kurztexten bei Lesungen auf, die oft auch politische Botschaften trugen. Sie nutzte die Bühne nicht nur als Darstellungsfläche, sondern als Sprachrohr für Migrantinnen, Frauen und alle, die sich zwischen zwei Kulturen wiederfinden.
Der Durchbruch auf der Leinwand: Filmkarriere und internationale Bekanntheit
Der eigentliche Durchbruch kam jedoch erst mit dem Film „Kebab Connection“ (2004), einer deutsch-türkischen Komödie, in der sie eine herrlich kantige, humorvolle Nebenrolle übernahm. Ihr Talent für schwarzhumorige, aber emotionale Darstellungen blieb nicht unbemerkt.
Es folgten bedeutende Rollen in international beachteten Produktionen:
- „The Edge of Heaven“ („Auf der anderen Seite“, 2007) – Regie: Fatih Akin
- „Paramparça“ (2014–2017) – Türkische Erfolgsserie, Rolle: Keriman
- „Almanya – Willkommen in Deutschland“ (2011) – Gesellschaftskomödie über Migration
- „Die Fremde“ (2010) – Drama über Ehrenmorde und weibliche Selbstbestimmung
Ihre Figuren sind oft nicht angepasst, laut, provokant – doch immer vielschichtig und menschlich. Besonders ihre Rolle in „Paramparça“ machte sie in der Türkei zum Star. Die Figur der Keriman, eine manipulative aber verletzliche Frau, wurde zum Kult.
Vielseitigkeit als Markenzeichen: Zwischen Lyrik und Fernsehen
Ein Blick auf das Werk von Nursel Köse zeigt eine seltene Vielseitigkeit. Während andere sich auf ein Medium spezialisieren, nutzt sie die Bühne, Kamera und den Stift gleichermaßen. Ihre Gedichtbände wie „Der Liebe zum Trotz“ oder „Hafızamda Oturuyorsun“ zeigen eine introspektive, tief emotionale Seite – eine Dichterin, die sich mit Fragen der Zugehörigkeit, Weiblichkeit und Erinnerung auseinandersetzt.
In ihren Gedichten spricht sie oft in der Ich-Form. Sie schöpft aus biografischen Fragmenten, verarbeitet Heimatverlust, aber auch Stolz auf ihre Herkunft. Ihre Sprache ist bildhaft, roh, zärtlich und voller Schmerz – jedoch nie sentimental.
Tabelle: Überblick über die wichtigsten Werke von Nursel Köse
| Jahr | Werk/Projekt | Medium | Rolle/Funktion |
| 2004 | Kebab Connection | Film | Nebenrolle (komödiantisch) |
| 2007 | The Edge of Heaven (Auf der anderen Seite) | Film | Nebenrolle (Drama, Regie: Fatih Akin) |
| 2010 | Die Fremde | Film | Unterstützende Rolle |
| 2011 | Almanya – Willkommen in Deutschland | Film | Mutterfigur |
| 2014–17 | Paramparça | TV-Serie (Türkei) | Hauptrolle: Keriman |
| 2001 | Der Liebe zum Trotz | Gedichtband | Lyrikerin |
| 2013 | Hafızamda Oturuyorsun | Gedichtband (türk.) | Lyrikerin |
Eine Stimme für Migrant*innen und Frauen
Nursel Köse ist mehr als nur Schauspielerin oder Dichterin – sie ist eine Aktivistin. In Interviews und Talkshows bezieht sie regelmäßig Stellung zu gesellschaftspolitischen Fragen. Themen wie Integration, Rassismus, Frauenrechte und kulturelle Identität ziehen sich durch ihre Aussagen wie durch ihre Kunst.
In Deutschland wie in der Türkei ist sie eine Reizfigur – nicht wegen Skandalen, sondern weil sie unbequem ist. Sie fordert Öffentlichkeit, wo andere schweigen. Besonders ihre Kritik an patriarchalen Strukturen innerhalb der Migrationsgesellschaft machte sie in konservativen Kreisen zur kontroversen Figur. Gleichzeitig wird sie für genau diesen Mut gefeiert.
Eine Momentaufnahme aus dem Leben einer Künstlerin
Man stelle sich Nursel Köse in einem kleinen Literaturcafé in Berlin vor. Es ist ein verregneter Herbstabend, die Zuschauer sitzen eng beieinander. Auf der Bühne steht sie – schlicht gekleidet, doch mit einer Präsenz, die den Raum erfüllt. Ihre Stimme ist tief, rau, sie trägt ein Gedicht vor – auf Türkisch, mit deutschem Unterton. Das Publikum hört still zu, niemand tippt auf seinem Handy, niemand redet.
Sie liest von der Erinnerung an eine verlorene Kindheit, vom Geruch ihrer Mutter, von der Sehnsucht nach einer Sprache, die beide Heimaten vereint. Danach spricht sie frei – über Frauen, die zwischen zwei Welten zerrieben werden. Über Rollenklischees, über das Anderssein. Ihre Worte sind politisch, aber nie plakativ. Man spürt: Hier spricht jemand, der weiß, wovon er spricht. Jemand, der kämpft, zweifelt, liebt – und all das in Kunst verwandelt.
Internationale Anerkennung
Besonders durch ihre Zusammenarbeit mit Regisseur Fatih Akin wurde Nursel Köse auch außerhalb Deutschlands und der Türkei bekannt. Akin, selbst ein Pionier der deutsch-türkischen Filmszene, erkannte früh das Potenzial in Köses Darstellungskraft. Ihre Fähigkeit, zwischen Komik und Tragik zu changieren, zwischen Härte und Verletzlichkeit, macht sie zu einer Ausnahmekünstlerin.
Auch auf internationalen Festivals wie der Berlinale oder in Cannes wurde ihre Arbeit gezeigt. Zwar ist sie keine „Mainstream“-Berühmtheit, doch in Kreisen des Arthouse-Kinos und der Lyrik ist sie eine hochgeschätzte Stimme.
Persönliches Leben: Private Künstlerin, öffentliche Stimme
Über ihr Privatleben spricht Nursel Köse selten öffentlich. Was jedoch durchkommt, ist ihre konsequente Haltung: Keine Kompromisse, keine Anpassung an marktgerechte Bilder. Sie entscheidet selbst, welche Rollen sie annimmt, welche Gedichte sie veröffentlicht und welche Auftritte sie wahrnimmt.
In einem Interview sagte sie einmal:
„Ich mache keine Karriere – ich mache Kunst. Wenn es andere interessiert, schön. Wenn nicht, dann habe ich wenigstens ehrlich gelebt.“
Diese Haltung durchzieht ihre gesamte Laufbahn – kompromisslos, authentisch, kantig.
Fazit: Nursel Köse als Brückenbauerin zwischen Kulturen
Nursel Köse ist eine Frau zwischen zwei Welten – und doch ganz bei sich. Sie schreibt, spielt, performt und denkt in zwei Sprachen, aber in einer Haltung: radikal ehrlich, politisch bewusst, künstlerisch vielseitig. Ihre Karriere zeigt, dass es möglich ist, sich jenseits des Mainstreams eine Stimme zu verschaffen, die gehört wird – nicht durch Skandale, sondern durch Inhalt.
In einer Zeit, in der kulturelle Identität und gesellschaftliche Teilhabe viel diskutiert werden, ist ihre Stimme wichtiger denn je. Ob auf der Bühne, vor der Kamera oder mit dem Stift: Nursel Köse bleibt eine Künstlerin, die inspiriert, provoziert und berührt – und das über alle Grenzen hinweg.